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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 09.02.2005
Aktenzeichen: 2Z BR 170/04
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004
WEG § 10
WEG § 15
Der Betrieb einer Spielothek, die täglich von 8.30 Uhr bis 1.00 Uhr geöffnet ist, stört bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise mehr als ein Ladengeschäft.
Gründe:

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage. Der Antragsgegner ist Eigentümer der im Aufteilungsplan mit Nummer 1 bezeichneten Ladeneinheit im Erdgeschoss; er hat einen Teil des Ladens an den Streithelfer vermietet, der seit Juni 2003 dort eine Spielothek betreibt. Diese ist täglich von 8.30 Uhr bis 1.00 Uhr geöffnet.

§ 4 Nr. 2 der durch Bezugnahme im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung (GO) lautet:

Soweit eine Einheit laut ihrer Bezeichnung in der Teilungserklärung einer anderen Nutzungsart als zum Wohnen dient, sind von ihr ausgehende Beeinträchtigungen zu dulden; Nutzungsänderungen sind zulässig, wenn die neue Nutzung keine größeren Beeinträchtigungen bringt als die angegebene.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht beantragt, dem Antragsgegner den Umbau der Ladeneinheit in eine Spielothek und den Betrieb einer solchen in den Ladenräumen zu verbieten.

Nach Vernehmung von Zeugen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 19.2.2004 den Antragsgegner verpflichtet, alle in Betracht kommenden Maßnahmen zu ergreifen, um die Nutzung seiner Ladeneinheit Nr. 1 als Spielothek an Sonn- und Feiertagen sowie Montags bis Samstags nach 20.00 Uhr zu unterbinden. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen.

Das Landgericht hat die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und seines Streithelfers mit Beschluss vom 5.8.2004 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners und seines Streithelfers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel des Antragsgegners und seines Streithelfers ist unbegründet. Es handelt sich um ein einheitliches Rechtsmittel, über das einheitlich zu entscheiden ist (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 26. Aufl. § 511 Rn. 8).

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Das Amtsgericht habe den Anträgen der Antragsteller zu Recht im angegebenen Umfang stattgegeben. Die Antragsteller hätten nach § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB einen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner alles unternehme, um die Nutzung seiner Ladeneinheit als Spielothek über die zugelassenen Zeiten hinaus zu unterbinden. Die Bezeichnung der Einheit des Antragsgegners im Aufteilungsplan als Laden lege den Nutzungszweck fest auf eine gewerbliche Nutzung in dem Umfang, in dem üblicherweise ein Ladengeschäft genutzt werden dürfe. Ausgehend von dieser Zweckbestimmung sei die Nutzung eines Teils des Ladens als Spielothek unzulässig. Sie stelle eine größere Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer dar als bei der Benutzung als Laden. Das ergebe eine typisierende Betrachtungsweise, die eine Beweisaufnahme über konkrete Lärmbeeinträchtigungen überflüssig mache. Die größere Beeinträchtigung ergebe sich schon durch den Umfang des Publikumsverkehrs, der bei der Spielothek täglich bis 1.00 Uhr nachts möglich sei, während ein Laden nur an Werktagen und dann bis höchstens 20.00 Uhr geöffnet sei. Darüber hinaus sei auch die Art der Nutzung grundsätzlich anders einzuschätzen als bei einem Laden. Da die Freizeitbetätigung in Spielotheken weitgehend negativ beurteilt werde, führe eine solche Nutzung zur Abwertung des Wohnumfelds und damit zu einer Wertminderung der Wohnungen der Antragsteller.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

(1) Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Antragsteller gegen den Antragsgegner nach § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Unterlassung einer zweckbestimmungswidrigen Nutzung seiner Teileigentumseinheit haben. Auch wenn der Antragsgegner in dem betreffenden Teil seines Ladens nicht selbst eine Spielothek betreibt, sondern sein Mieter der Betreiber ist, ist doch der Antragsgegner Störer im Sinn von § 1004 BGB (BayObLG NJW-RR 1991, 658). Außerdem hat der Antragsgegner als Teileigentümer nach § 14 Nr. 2 WEG dafür einzustehen, dass sein Mieter die Ladenräume nicht zweckbestimmungswidrig nutzt.

(2) Die Bezeichnung des Teileigentums als Laden im Aufteilungsplan und in der Teilungserklärung enthält eine verbindliche Zweckbestimmung, mit der der Betrieb einer Spielothek in den Räumen nur insoweit vereinbar ist, als die Spielothek die übrigen Wohnungs- und Teileigentümer nicht mehr belästigt als ein Ladengeschäft (allgemeine Meinung und ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. BayObLG NJW-RR 2000, 1323/1324; OLG Köln WuM 2005, 71/73). Dieser Prüfungsmaßstab entspricht auch der Regelung in § 4 Nr. 2 GO.

(3) Soweit der Antragsgegner der Auffassung ist, bei der Frage der Beeinträchtigung durch den Betrieb der Spielothek sei nicht auf eine typisierende Betrachtungsweise abzustellen, sondern auf die konkreten Belästigungen durch das verfahrensgegenständliche Geschäft, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. BayObLG NZM 1999, 80/81; 2000, 288 und zuletzt NZM 2004, 949/950) und auch der Oberlandesgerichte (vgl. z.B. KG NZM 2002, 568; OLG Hamburg ZMR 2003, 770; OLG Frankfurt NZM 2004, 950/951; OLG Köln WuM 2005, 71/73), dass für die Zulässigkeit einer bestimmten Nutzungsart auf eine typisierende, d.h. verallgemeinernde Betrachtungsweise und nicht auf die konkrete Ausübung der jeweiligen Geschäftstätigkeit abzustellen ist. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde geben keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.

Die Anwendung der typisierenden Betrachtungsweise ist deshalb gerechtfertigt, weil die Regelungen einer Teilungserklärung abstrakt sind und nicht auf einen konkreten Betrieb abstellen und hierauf meist auch nicht abstellen können. Außerdem ist es für die übrigen Wohnungseigentümer nicht zumutbar, im Einzelfall das Feststellungsrisiko dafür zu tragen, dass von dem konkreten Geschäftsbetrieb Einwirkungen ausgehen, die lästiger sind als diejenigen, die bei einer vereinbarungsgemäßen Nutzung entstehen würden. Schließlich könnte bei einem Abstellen auf konkrete Immissionen von den übrigen Wohnungseigentümern nur das Unterbleiben dieser Immissionen verlangt werden, nicht aber die Unterlassung der vereinbarungswidrigen Nutzung. Dass durch die typisierende Betrachtungsweise der Nutzungsspielraum des Eigentümers eingeschränkt wird, rechtfertigt keine andere Beurteilung, da es Sache des Eigentümers ist, beim Erwerb oder der Vermietung des Wohnungseigentums oder der Aufnahme eines eigenen Geschäftsbetriebs zu prüfen, ob die beabsichtigte Nutzung mit den Regelungen innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft in Einklang steht. Deshalb ist das Eigentumsrecht des Antragsgegners (Art. 14 GG) nicht unzumutbar eingeschränkt.

Das Landgericht hat deshalb nicht dadurch gegen seine Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) verstoßen, dass es den Beweisangeboten des Antragsgegners nicht nachgekommen ist.

3. Es entspricht der Billigkeit, dem in allen Rechtszügen im Wesentlichen unterlegenen Antragsgegner und seinem Streithelfer sowohl die gerichtlichen als auch die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 47 WEG).

Die mit den Vorinstanzen übereinstimmende Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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